Training kann unterschiedlicher sein als so manch anderes.
Es gibt unzählige Übungen, Ratschläge und Weisheiten.
Welches Training ist das beste?
Und welche alternativen Trainingsmethoden zu üblichen Trainingsgeräten gibt es?
Die Antwort darauf verrät dir mein heutiger Interviewpartner Sebastian von Vereinfache-Dein-Training.
1. Hallo Sebastian. Vielen Dank, dass du dir Zeit für das Interview nimmst. Stelle dich doch bitte einmal meinen Lesern vor
Hallo Fabian, vielen Dank für die Möglichkeit mich deinen Lesern vorstellen zu dürfen.
Ich bin Sebastian Müller aus Erfurt und leite dort seit 2014 die Kraft- und Bewegungsakademie, ein kleines Gym für Personal und Kleingruppen Training. Davor war ich in Weimar mit meinem Studio "Kettlebell Fitness Athletics". 2012 habe ich mich damit in Weimar und dem ersten Kettlebell Studio Thüringens selbstständig gemacht.
Nach 10 Jahren erfolglosen Fitnessstudio-Training bin ich 2009 (mit 29 Jahren) auf die Kettlebell gekommen und sie hat mein Training und Leben für immer verändert.
Weil ich selbst kein Studio fand, wo ich diese Form des Trainings betreiben konnte und generell unzufrieden mit dem Fitnessstudioangebot in Weimar war, entschied ich mich zu diesem Schritt 🙂
Rückblickend recht wagemutig jedoch bin ich froh ihn gemacht zu haben.
2. Du betreibst den Blog VereinfacheDeinTraining.com. Wie kam es dazu?
Vereinfache dein Training habe ich 2014 ins Leben gerufen, um mehr Sportlern bei ihrem Training zu helfen.
2012 hatte ich den Kettlebell Weimar Blog gestartet, um über mein Training zu berichten.
Ich erreichte das erste Mal nach zig Jahren meine Ziele und wollte es in die Welt hinaus schreien. Und ich hatte kein Budget für Printwerbung.:)
Der Blog war also mein Marketing Werkzeug Nr. 1, um mein Studio in Weimar zu bewerben. In dieser Zeit habe ich gemerkt wie sehr ich den Austausch mit den Lesern liebe und vor allen, dass ich mit meinen Texten wirklich etwas bewegen kann. Dazu kam, dass ich viele andere Blogger und Trainer kennenlernte und so ein wertvolles Netzwerk aufbauen konnte.
3. In deinem Blog dreht sich alles ums Thema (Kraft-) Training. Was sind in deinen Augen die 5 wertvollsten positiven Eigenschaften von Krafttraining?
Ich finde es faszinierend, wie Krafttraining deine Lebensqualität verbessert:
- Der Übertrag der Kraft in andere Lebensbereiche ist extrem wertvoll. Sei es um einen einseitigen Alltag auszugleichen oder wenn du als Helfer bei einem Umzug eingeladen wirst.
- Mehr Selbstvertrauen und eine bessere Eigenwahrnehmung sind auch Nebeneffekte des Trainings. Du spürst was dein Körper alles kann und wie viel Potential in dir steckt.
- Das wirkt sich positiv auf deine Disziplin und Willenskraft aus. Dir fällt es leichter "anstrengende" Aufgaben durchzuziehen und öfter aus deiner Komfortzone zu kommen.
- Krafttraining eröffnet dir neue Fragen und erweitert deinen Horizont. Du fragst dich, "Was kann ich noch alles schaffen?", "Wie kann ich meinen Körper verändern oder wie wird es sich anfühlen, wenn ich diesen Skill oder diese Kraftübung gemeistert habe?"
- Und es lässt dich erkennen was im Leben wirklich zählt. Das Leben ist eine Reise und Kraft wird nicht in 3 Wochen entwickelt und dann war's das. Es geht darum langfristig am Ball zu bleiben. Es geht darum auch an Morgen zu denken und nicht nur an den nächsten Sommer.
4. Stichwort Verletzungsgefahr: wie beugt man beim Training gezielt Verletzungen vor? Gibt es einen „Geheimtipp“ für alle Übungen oder ist das von Übung zu Übung verschieden?
Versuche dir die größtmögliche Beweglichkeit in deinen Gelenken zu erarbeiten UND die Kontrolle über diese kompletten Bewegungsumfänge.
Kannst du jedes Gelenk über den kompletten Bewegungsumfang kontrollieren und das Ganze auch unter Belastung (Zusatzgewichte oder Hebel) hast du gewonnen.
Zu viele Verletzungen passieren, weil Bewegungen zu schnell und zu schwer beladen werden ohne das die nötige Stabilität oder Kontrolle über die Bewegung vorhanden ist.
Das gilt für jede Bewegung oder Übung.
5. Beim Training ist die Motivation sicherlich so wichtig wie das Training an sich. Wie lauten deine 7 besten Motivationstipps, mit denen du dich regelmäßig zum Sport motivierst?
- Kenne dein WARUM fürs Training. Wenn du nicht weißt warum du dich im Training forderst, wird es schwer am Ball zu bleiben. Das kann ein neuer Rekord bei einer bestimmten Übung sein, die Veränderung deines Körpers oder (in meinen Augen am wertvollsten) auch noch im hohen Alter Vollgas geben zu können.
- Habe einen Ordner oder Lesezeichen mit Videos von Athleten die dich begeistern. Ich habe neben dem Kettlebell Training mit Calisthenics begonnen, weil ich die Videos von Hannibal for King und Al Kavadlo so cool fand. 5 Minuten von diesen Videos haben mich fürs Training gepusht. Mittlerweile habe ich eine ganze Bibliothek von Athleten und je nach Training schaue ich mir gezielt einzelne Videos an.
- Zu schwerem Metall gehört schweres Metall. Ich habe 10 Jahre als Schlagzeuger in Bands gespielt und war viele Jahre jedes Wochenende auf einem anderen Konzert von grandiosen Bands. Ich habe mittlerweile auf viele Songs einen Anker gesetzt und wenn ich sie höre, muss ich einfach trainieren. Eine gute Playlist ist extrem wichtig für mich, um mich fürs Training zu pushen.
- Habe einen Plan für den du Rechenschaft ablegen musst. Idealerweise vor einem anderen Trainer. Schreibst du deine Pläne selbst, solltest du Trainingstagebuch führen, um deine Fortschritte zu dokumentieren. So musst du dir selbst Rechenschaft ablegen. Wenn du dich nicht steigerst, solltest du dich fragen warum. Auf der anderen Seite motiviert nichts so sehr wie regelmäßige Verbesserungen. Du hast eine Übung länger gehalten, mehr Gewicht verwendet oder mehr Wiederholungen geschafft? Sehr gut! Feiere diese Rekorde. Nichts motiviert mehr. Um diese kleinen Rekorde jedoch mitzubekommen, solltest du sie notieren.
- Kannst du dich nicht allein fürs Training aufraffen, suche dir einen Trainingspartner und vereinbare feste Zeiten. Überlege dir Strafen (kleine Herausforderungen), wenn du oder dein Trainingspartner nicht zum Training erscheint und pusht euch gegenseitig. Das ist ein Grund warum Training in der Gruppe so viel Spaß macht. Die Gruppendynamik schiebt an und du gibst automatisch mehr Gas und hast Spaß am Training.
- Plane im Voraus und mach es dir selbst leicht nicht zu scheitern. Packe deine Tasche rechtzeitig, habe einen Plan B falls du es nicht ins Studio schaffst (ein kleines Homegym ist super), blocke dir Zeiten für dich und dein Training die nicht verhandelbar sind in deinem Kalender.
- Variiere deine Übungen. Abwechslung im Plan bringt Spaß. Ich verändere alle 3 Wochen oder alle 6 Trainingseinheiten etwas in meinem Plan. Du musst dafür nicht deinen kompletten Plan über den Haufen werfen. Statt Military Press mit der Kettlebell kannst du auf Bottom Up Presses setzen oder statt Highbar Kniebeugen, wechselst du auf Front Kniebeugen. Du kannst auch bei einer Übung bleiben und die Satz/Wiederholungszahl ändern. Statt 4×8 kannst du 8×4 ausführen. Das ist auch eine gute Methode, um dem Körper ständig neue Reize zu setzen. Neben Satz- und Wiederholungszahl kannst du auch am Tempo und den Pausenzeiten drehen. Es gibt zig Stellschrauben, um Variation ins Training zu bringen.
- BONUS: KAFFEE! Wenn die ersten 7 Punkte nicht helfen… Kaffee hilft immer…
6. Du hast in deinem Blog viele Artikel zum Kettlebell. Was ist das Besondere an ihm und worin liegt der Unterschied zu herkömmlichen Trainingsgeräten?
Training mit der Kettlebell ist einfach und ehrlich.
Du brauchst keine 25 Übungen und bekommst deine Schwächen sofort aufgezeigt.
Ich habe mich sofort ins Training mit der Kettlebell verliebt.
Das ist auch der Grund warum ich mich als Trainer mit meinem eigenen Gym selbstständig gemacht habe: steck mich 5 Minuten mit einer Person in einen geschlossen Raum und er oder sie hat Bock mit Kettlebells zu trainieren.
Ich trainiere seit über 7 Jahren hauptsächlich mit der Kettlebell und arbeite immer noch an den Basics. Ich versuche ständig im Turkish Get Up, Swing, Clean, Press, Squat und Snatch besser zu werden. Ich gehe davon aus, dass ich in 10 Jahren ganz zufrieden mit meiner Technik sein werde… 🙂
Neben den BIG SIX habe ich gerade einen Favoriten – Kettlebell Bent Press.
7. Deine Lieblingsübung mit dem Kettlebell?
Schon lustig, ich sitze gerade in einem Café in Berlin und erhole mich von einer Bent Press Session mit Johannes Kwella, Michael Schaller und Katja Graumann.
Wir hatten uns auf ein gemeinsames Training verabredet und sind (wie sollte es auch anders sein) bei den Kugeln hängengeblieben.
Die Entscheidung welche Übung wir uns vornehmen, war einfach und schnell getroffen. Nichts bringt mehr Spaß als eine kleine Kraftmeierei mit alten Kumpels und großen Kugeln.
Der Bent Press ist einfach perfekt dafür. Die Übung macht einfach Laune und du brauchst alles dafür: eine sehr gute Beweglichkeit in der Brustwirbelsäule, Hüfte und Schulter. Dazu brauchst du viel Stabilität im Rücken und Schulterblattbereich.
Investierst du die Zeit, um in diesen Bereichen gut zu werden, belohnt der Bent Press dies mit sehr großen Gewichten. Der Bent Press ist die einzige Übung mit der Kettlebell mit der ich mittlerweile zu jederzeit das Beast (48kg) über Kopf bewegen kann.
8. Training für Muskelaufbau und Training für Kraftaufbau. Worin liegt der Unterschied und was ist beim Training zu beachten?
Puh… Ich habe einen kompletten Artikel auf Vereinfache dein Training dazu geschrieben.
Unterm Strich liegt der größte Unterschied in der Energiebereitstellung. Bei Maximalkrafttraining trainierst du überwiegend dein zentrales Nervensystem. Deine intramuskuläre Koordination verbessert sich. Beim Training für Muskelaufbau leerst du überwiegend deine Glykogenspeicher in deiner Muskulatur und Leber.
Maximalkrafttraining hat zur Folge, dass du deine Muskulatur besser und stärker ansteuern kannst. Deine Muskelfasern werden dichter und du wirst drahtiger. Muskelaufbau hat ein Dickenwachstum zur Folge, um mehr Glykogen speichern zu können. Beides überschneidet sich zu einem gewissen Teil.
Du wirst beim Maximalkrafttraining auch Muskulatur aufbauen und beim Muskelaufbau auch stärker.
Fürs Maximalkrafttraining halte dich an weniger Wiederholungen (1-5) und mehr Sätze (5-10). Die Pausen solltest du länger halten und die Intensität höher.
Beim Training für Muskelaufbau halte dich an mehr Wiederholungen (6-12) und weniger Sätze (3-6). Die Pausen solltest du kürzer halten und die Intensität etwas niedriger. Diese Variablen kannst du über das Tempo (Zeit unter Belastung) verändern, was nichts an der Energiebereitstellung ändert.
Ich favorisiere Maximalkrafttraining. Aber am Ende ist es wie immer davon abhängig was du in dein Zieletagebuch geschrieben hast.
9. Was tun, wenn im Laufe der Zeit die gleichen Übungen langweilig werden. Sie austauschen oder variieren? Wie gehst du hier vor?
Ich variiere, wobei ich nicht in Übungen denke sondern in Bewegungen oder Bewegungsmustern.
Für mich ist wichtig, dass die fundamentalen Bewegungen (Squat, Hinge, Push, Pull, Lunge, Carries & Core/Groundwork) im Plan sind. Das lässt viel Spielraum für die Übungsauswahl.
Wichtig ist, mit der Variation nicht über Bord zu gehen.
Wie oben geschrieben solltest du mindestens 3 Wochen bei einem Plan bleiben und dann nur kleinere Parameter wechseln. Jede Woche oder jedes Training etwas anderes zu tun, wird dich langfristig nicht vorwärts bringen (außer du bist extrem Fortgeschritten und weißt wo und wie du dich langfristig steigerst ohne in ein Plateau zu rennen).
10. Für wie wichtig findest du es, sich neben dem Training ausreichend zu bewegen? Welche Vorteile siehst du hier und wie viel sollte man sich täglich bewegen?
Je mehr Feedback du deinem Körper gibst, in den Zeiten von Bewegungsmangel und einseitiger Belastung, umso besser, wobei du Bewegung definieren darfst.
Bevor du dich viel bewegst, solltest du dich gut bewegen. Viele machen den Denkfehler, dass die tägliche Joggingrunde eine gute Investition in die eigene Gesundheit ist. Ist dein Laufmuster jedoch (durch stundenlanges Sitzen und generellen Bewegungsmangel) suboptimal, schadest du dir eher.
Es gibt einen Grund warum viele bekannte Krafttrainer sagen, dass du dir Joggen verdienen musst.
Mir bluten die Augen, wenn ich Jogger beim Laufen sehe. Das ist auch der Grund warum ich Bewegung am Boden favorisiere.
Verbringe Zeit auf dem Boden: rolle herum, krabbel nach vorn, nach hinten und zur Seite. Stehe auf und leg dich wieder hin. Du solltest den Boden beherrschen, dann dein eigenes Körpergewicht im Raum und erst danach solltest du gezielt deinen Körper beladen.
Erinnere dich einfach an deine frühkindliche Entwicklung, da hast du es genau so gemacht. Das Programm von damals läuft immer noch und funktioniert ausgezeichnet, wenn du an guter Beweglichkeit und solider Kraft interessiert bist.
11. Vielen Dank für deine Zeit. Nun erzähle doch meinen Lesern mehr über deinen Blog. Auf was können sich meine Leser bei dir freuen?
Im Prinzip schreibe ich auf Vereinfache dein Training über meine Erfolge und die Erfolge meiner Klienten. Oder genauer, was uns zum Erfolg geführt hat.
An welche Trainingsphilosphien wir uns halten, welche Bewegungen und Übungen am effektivsten sind, an welchen Trainern wir uns orientieren und welche Trainingswerkzeuge am meisten Sinn machen. Kurz: Ich beschreibe einen Weg der dich so einfach wie möglich zu mehr Beweglichkeit und Kraft führt, um deinen Alltag und in deiner Sportart zu dominieren.
Meine Facebook-Seite: www.facebook.com/pg/vereinfachedeintraining/
Vielen Dank Sebastian für deine Zeit und das tolle Interview!
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